Schüler-
gewerkschaft
Bottrop
Was wollen wir überhaupt??
Im Prinzip wollen wir zwei Dinge. Einen selbstorganisierten Jugendraum im Marktviertel und die Situation an den Bottroper Schulen verbessern.
Aber wie zum Deibel soll das funktionieren?
Ganz einfach - Wir organisieren Schülerinnen und Schüler die das Gleiche wollen. Wir bündeln unsere Kräfte, um Bottrop zu einer Stadt zu machen, auf die man Stolz sein kann. Wir müssen in dieser Stadt leben, also müssen wir sie schön machen.
Kontakt: Schuelergewerkschaft [at] gmail [dot] com
Unsere vision!
Die kann man anhand einer kurzen Geschichte erklären. Ohne viel rumzuschnacken gehts los:
Ich möchte dir einen Jungen vorstellen. Daniel ist 16 Jahre alt. Daniel lebt in Bottrop. Seine Eltern sind vor mehreren Jahrzehnten aus den tiefsten Polen ins Ruhrgebiet gekommen, um Schwarzes Gold aus dem Boden zu holen. Die Eltern von Daniel wurden durch den Bergbau integriert. Viele kamen in den Pott mit der gleichen Hoffnung. Aus diesem Zusammenschluss ist eine soziale Nachbarschaft entstanden. Irgendwann kam Daniel auf die Welt. Sie lebten glücklich in ihrer Siedlung. Spielten Fussball auf dem Platz vor den Häusern, grillten im Sommer. Es war schön.
Aber Daniel hat auch mitbekommen, wie sich alles verändert hat. Er nimmt seine Nachbarschaft heute anders wahr. Den Bergbau gibts nicht mehr. Die letzte Zeche Deutschlands wurde in Bottrop geschlossen. Für seinen Vater hat es sich schon vor Jahren ausmalocht.
wie daniel Bottrop erlebt
Daniel kennt nur noch die von Ruß gefärbten, grauen Hauswände. Die einst so solidarische, bunte Nachbarschaft löst sich auf. Die Kohle war der Kleber, der uns im Ruhrgebiet zusammengeschweißt hat. Der ist weg.
Daniel ist aufgefallen, dass die Menschen um ihn herum sich immer häufiger nicht mehr kennen. Früher haben sich die Nachbarn gegrüßt. Heute laufen sie mit kühlen Blicken aneinander vorbei.
In der Schule ist das nicht anders. Es gibt kaum mehr Zusammenhalt. Höchstens noch in der eigenen Klasse, aber in der Schule löst er langsam aber sicher auf. Außer, wenn man sich darüber unterhält, wie beschissen die Schüler von anderen Schulen sind. Auch sein Schulhof ist von Grautönen überzogen.
Auch auf dem Weg zur Schule läuft Daniel eigentlich nur an grau vorbei. Vom ZOB zur Schule läuft er immer, weil die Busse zu asozial geworden sind. Die verlorenen Seelen am ZOB sind leblos. Daniel glaubt, dass sie durch Gewalt, Drogen und Raub versuchen, wieder ein bisschen Farbe in ihr doch so graues Leben zu bekommen. Die Stadt bleicht aus. Er fühlt sich jeden Tag träge und kaputt, wenn er durch diesen Ort geht. Aber er hat keine Wahl.
Doch eines Tages sollte sich alles ändern. Es fällt ihm etwas ins Auge. Als er durch eine besonders leere Gasse der Stadt geht, sieht er etwas Buntes, das ihn direkt anstrahlt. Ein Ort, der so lebendig aussieht, wie er ihn nur aus Geschichten von seinem Vater kennt. Eine Art Haus, das vor Leben aus der grauen Skyline springt. Ein Platz, der Heimat ausstrahlt. Ein sicherer Ort. Er rennt auf das Gebäude zu und schaut voller Neugier, was das ist.
Dieser Ort wurde von Schülern erschaffen. Es ist ein Ort, der für Schüler da ist.
Als er diesen Ort betritt, überkommt ihn ein warmes Gefühl; Freude; Hoffnung.
daniels ERster eindruck
Er fühlt sich zum ersten Mal in der Innenstadt Bottrops heimisch und willkommen. Das erste, was er sieht, ist eine Art Wohnzimmer. Bunte Sitzsäcke fallen ihm ins Auge. Aber was ihn noch mehr anzieht, ist, dass darauf Schüler sitzen und miteinander quatschen. Sein Starren auf das Miteinander wird unterbrochen, weil er ein leises Piepen hört. Es kommt von seiner rechten. Vom Tastenfeld eines Snackautomatens, der bis zum Rand mit lecker Sachen gefüllt ist. Von Snickers zu Nüsschen bis hin zu Chips war alles darin. Ein Mädchen hat sich gerade eine Kleinigkeit gekauft. Bevor er noch einen Gedanken fassen konnte, wird er von ihr angesprochen. „Hi, ich bin Elena! Wie geht's dir? Bist du neu im Haus der Zukunft?“ „Ja. Ich bin Daniel. Ich wollte mich mal umschauen. Ich hab sowas noch nie gesehen“. Elena ist glücklich, dass sie jemandem das Haus zeigen kann und fängt an los zu quasseln.
„Das hier ist unser Wohnzimmer. Hier kann jeder einfach mal runterkommen. Oder Hausaufgaben machen, was einem lieber ist. Uns ist wichtig, dass hier alles offen ist. Siehst du die Kaffeemaschine da? Die war vor ein paar Wochen noch kaputt. Die haben wir geschenkt bekommen und repariert. Da bin ich sehr stolz drauf!“, sagt Elena. Und weiter. „Die zwei, die da hinten am Kickertisch stehen, das sind unsere Experten, was solche Spiele angeht. Die beiden sind so gut wie unschlagbar. Vor allem im Billard. Lass uns nachher mal gegen die spielen. Vielleicht hast du ja ‘ne Chance.”
Elena geht mit ihm tiefer in das Haus hinein. „Der, der da am Schuhregal steht, ist Max. Der hatte die großartige Idee, Hausschuhe und Spinde zu besorgen, damit man seine Sachen einschließen kann, wenn man hier ist. Und mit Schlappen bequem rumschleppen kann. Ich sag dir ehrlich, das ist echt nice. Aber eins meiner Highlights ist der Kronleuchter, den du da vorne siehst.“
Der Kronleuchter ist gigantisch. Bestimmt zwei Meter im Durchmesser. Und aus rötlichem Glas. Ganz war er aber auch nicht. Ein Arm des Leuters fehlte. Kaputt sah er aber nicht aus. Daniel fand, dass er trotz seiner Fehler großartig aussah. Er verlieh dem Raum einen Flair, der etwas von unperfektem Perfektionismus hat.
„Da vorne, beim Fernseher sind unsere Spielekonsolen. Playstation 1 bis 4, Wii, Gamecube, Xbox360 und alles was du dir vorstellen kannst. Dieses Wochenende ist hier unser MarioKart Turnier. Schreib dich da gerne ein. Aber ich sag dir, gegen mich hast du keinen Erfolg“, sagt Elena.
„Und wer sind die beiden vor dem Kamin?“, fragt Daniel, als er zwei Mädchen am Schach spielen sieht.
„Das sind Sophie und Marie. Marie gibt hier Schachunterricht. Sie ist zwar kein Großmeister, aber kann besser Schach als 90 Prozent der Leute hier im Haus - und sie ist eine gute Lehrerin. Sie gibt Nachhilfe in Englisch und Mathe. Wegen ihr bekomm’ ich in Englisch ne 2. Komm mit, ich zeig dir mal den Nachhilfe Raum.“
Schüler helfen schülern
Elena und Daniel betreten einen Raum, der mit Tischen, Tafeln, Büchern, Whiteboards und Stühlen gefüllt ist. Gerade sitzen dort 5 Jugendliche und schauen konzentriert auf Ole, den momentanen Nachhilfegeber. Er erklärt gerade Physik und wie genau Licht funktioniert. Daniel versteht zwar kein Wort, findet es aber trotzdem interessant. Elena erzählt Daniel, dass Ole schon besser Physik versteht als sein Lehrer.
Zusammen gehen sie in den anliegenden Ruheraum. Hier sind die Wände voll mit Büchern. Es wirkt wie eine Bibliothek aus einem alten Schloss. Die Regale aus Eichenholz passen zu dem roten Teppich, der den Raum bis in die letzte Ecke füllt. Und zu den tiefen Ledersesseln, vor denen ein kleiner Couchtisch steht. Elena erzählt, dass hier gerne alleine gelernt und gelesen wird, wenn im Wohnzimmer viel los ist. Außerdem ist der Raum perfekt, um die Stille zu genießen, weil man ohne Gedanken in den funkelnden Elektrokamin starren kann. „Wir haben ganz viele Bücher von einem mittlerweile geschlossenen Antiquariat bekommen. Deshalb riecht es hier auch so nach alten Büchern. Weißt du, was ich mein’?“, sagt Elena. „Ja! Der Raum ist einfach perfekt! Es fühlt sich hier so an wie in einer Schlossbibliothek”, antwortet Daniel.
Kunst und Musik
Elena stellt Daniel wieder jemandem vor. Alex. Er erzählt Daniel, dass er Kunst und Musik liebt. Das hatte Daniel sich aber auch schon gedacht, weil Alex T-Shirt und Latzhose voll mit Grünen, Gelben, Blauen und Weißen Farbflecken überzogen sind. Alex geht mit Daniel eine Treppe runter in einen Bandraum. Die Wände sind in einem herbstlichen Grün gestrichen. „Die Wand habe ich vor einer Woche gestrichen. Mein Vater ist Maler, der hat uns die Farbe gespendet. Ich finde die großartig. Die passt so hervorragend zum Klavier.“ Das Klavier war nussbraun. Es ist nicht das Beste. Und auch nicht gut gestimmt. Aber mit Sicherheit das schönste, das er je gesehen hat. „Das hat uns eine Schule gespendet. Das wäre sonst auf der Kippe gelandet. Kannst du dir das vorstellen? Einfach schrecklich.“ „Spielst du hier in einer Band?“ „Ja klar! Ich bin am Schlagzeug da vorne. Meine Freundin Stella ist an der Gitarre und Max spielt Bass. Wir sind zwar nicht gut, aber für unsere Feiern reicht’s auf jeden Fall!“
Alex geht mit Daniel zum gegenüberliegenden Kunstraum. Daniel fühlt etwas in sich aufsteigen. Er will etwas tun, bauen, machen. Daniel sieht einen 3D-Drucker und dann noch einen Lasercutter in der Ecke des Raums stehen. Sowas kennt er sonst nur von TikTok. „Ist das wirklich ein Lasercutter?! Wie habt ihr den denn bekommen? Ich wollte schon immer mal was damit machen! Weißt du, was man alles damit machen kann?!“ „Natürlich! Siehst du die Ständer, auf denen die Bilderrahmen stehen? Die haben wir damit gemacht. Cool nh?
Achso und den haben wir von der Firma, die die bauen, gespendet bekommen. Wir haben einfach nachgefragt und unser Haus vorgestellt. Die waren so begeistert, dass sie uns einen geschenkt haben, um uns zu unterstützen. Hier entsteht eigentlich sehr viel. Also was Möbel und so angeht. Aber wir machen auch viel Kunst. Also richtige Kunst. So Gemälde und Skulpturen. Das macht extrem viel Bock. Aber komm, ich zeig dir unseren Arcade Raum. Ein persönliches Highlight von mir.“
die Arcade
Daniel und Alex gehen in den Keller des Hauses. Schon im Treppenhaus strahlt ihm das lila, pinke LED-Licht ins Gesicht. Es erinnert an die Bottroper Kirmes. Aber eine Sache ist anders. Daniel hat nicht wie sonst das Gefühl, dass er aufpassen muss, damit er nicht in Streit gerät. Es fühlt sich freundlicher und spaßiger an. Mehr nach genießen, als nach fliehen. Man hört das Klackern eines AirHockey Tisches nur sehr leise, weil Musik aus den 80er und 90er den Keller beschallt.
Als Daniel den Raum endlich betritt, werden die Vorstellungen, die er sich von ihm gemacht hat, übertroffen. Direkt links neben der Tür sind zwei Basketball Automaten. Rechts ist eine rustikale Bar, die aus Paletten zusammen genagelt wurde. Die Popcorn- und Slusheismaschine verbreitet einen so süßen Duft, dass Daniel direkt das Wasser im Mund zusammen läuft. Hinter der Bar steht ein Typ, der sich gerade aus dem Kühlschrank eine Flasche Cola aufmacht. „Hey Luca, komm mal her. Ich muss dir wen vorstellen.“, ruft Alex dem Jungen zu.
„Das ist Daniel. Er ist neu hier. Zeig’ ihm doch mal, was es hier so alles gibt.“
„Hi ich bin Luca, schön, dass du hier runter gefunden hast. Die Bar hier ist mein Meisterwerk. Die haben Alex und ich direkt am Anfang gebaut. Der hat dir bestimmt schon den Lasercutter gezeigt, oder? Damit haben wir die Einzelteile für die Barhocker zusammengeschnitten.“
Die Barhocker sehen alle unterschiedlich aus. Sie sind mal größer, mal kleiner, mal schief, mal gerade, mal sind sie aus hellem und mal aus dunklem Holz. Und manchmal waren sogar bis zu 4 Holzarten in nur einem Hocker zu finden. Aber genau dieser Unperfektionismus macht den Raum so lebendig. Daniel fühlt sich, so doof wie es klingt, mit den Hockern verbunden. Er findet, dass sie wie seine Heimatstadt Bottrop sind. Halt nicht perfekt. Aber der große Unterschied ist, dass die Hocker Leben ausstrahlen; Dass sie einen einladen, da zu bleiben, und nicht direkt zu verduften.
Daniel hat genau in diesem Moment verstanden, dass unperfekt nicht kaputt heißt. Dass das Unperfekte auch zu was Perfektem werden kann.
„Hier hinten sind unsere AirHockey Tische. Sascha und Karl trainieren gerade für das Turnier in zwei Wochen. Die wollen unbedingt gewinnen. Ich habe aber einen 10er auf Marie gesetzt. Ich glaube, die macht das Ding. Letzte Woche haben wir ein Tischtennis-Turnier gemacht. Das habe ich gewonnen. Ich weiß zwar nicht mehr wie, aber ich bin mit dem Pokal im Bett aufgewacht.”
Luca ist jetzt richtig aufgeregt: „In Zukunft wollen wir hier noch einen Boxautomaten und viel mehr Spiele reinbekommen. Vor allem so Spiele, die man gegeneinander spielen kann. Für Turniere und so. Aber da müssen wir noch gucken, wie wir die bekommen. Komm’ wir gehen in unseren Partyraum.“
Der partykeller
Die beiden laufen einmal quer durch den Raum zu einer großen stählernen Doppeltür, die voll mit Bildern und Stickern beklebt ist. Besonders auffällig ist der riesige Schülergewerkschaftssticker, der auf Augenhöhe klebt.
Sie öffnen die schwere Tür und betreten einen großen, fast leeren Raum, in den über 100 Leute passen. Auf der gegenüberliegenden Seite der Tür ist eine kleine, aber feine Bühne. Sie hat genug Platz für ein Schlagzeug, für fünf weitere Leute und für das DJ Pult, das im Moment in der Mitte steht. Links und rechts an der Bühne hängen zwei viel zu große Boxen. Daniel findet, dass sie so aussehen, als wären sie ziemlich laut. Er hofft, sie eines Tages hören zu dürfen.
Daniel richtet seinen Blick auf eine große graue Kugel. Doch dieses Grau ist anders, als das in der Stadt. Es strahlt und erfüllt den Raum mit Licht und Tanz. Eine Discokugel, welche die einzelnen, verlorenen Seelen der Stadt Bottrop einzusammeln scheint und aufleuchten lässt. Denn genauso, wie gebrochene Seelen, strahlen sie, sobald Licht auf sie scheint. Eine neue Chance, zu strahlen und zu leben. Endlich fühlen sie sich Zuhause. Am richtigen Ort kann jeder strahlen.
Rechts ist wieder eine kleine Bar. Die Barhocker wurden diesmal durch Stehtische ersetzt. Luca erklärt, dass Stehtische hier besser als Hocker sind, weil sie zum Tanzen animieren. Wenn man schon einmal steht, ist das Tanzen nicht mehr weit.
Hinter der Bar sind zwei Kühlschränke mit durchsichtigen Türen, durch die man Fanta, Cola, Sprite und noch viele weitere Getränke sieht. Die Laserstrahler, die bunten Lichter und die Nebelmaschinen strahlen von der Decke auf den Dancefloor herab. „Hier haben wir schon die ein oder andere legendäre Party geschmissen. Bei der Einweihungsfeier war der Raum noch fast leer. Wir hatten nur die Boxen und die Kühlschränke. Aber das hat gereicht. Über die Feier spricht man heute noch! Am Wochenende ist hier ‘ne Mottoparty. Wir kleiden uns im 80er Stil. Hast du schon unsere Küche gesehen? Nein? Dann komm, ab dahin!“
die küche
Zusammen gehen sie zwei Stockwerke nach oben. Es riecht immer mehr nach Gemüse und leckerem, türkischen Essen. Als Sie oben ankommen, erblickt Daniel einen Raum der fast genauso groß ist, wie der Party Raum. Aber er ist anders gefüllt. Die Mitte ziert ein riesiger Tisch, an dem bestimmt 30 Leute sitzen können. Dahinter ist die Kochinsel, die tatsächlich so groß scheint, als könnte man für 30 Leute essen machen. Es gibt acht Herdplatten, zwei Waschbecken, drei Kühlschränke, zwei Backöfen und eine Tiefkühltruhe, die mit Pizzen, Mozzarella-Sticks und so weiter gefüllt ist. Gerade sind ein paar Leute am Kochen. Luca ruft zu den Jungen der gerade die Pfanne schwenkt: „Hey Musti, hast du ne Minute? Ja? Super! Ich hab jemanden mitgebracht dem du zeigen musst, was du kannst“
"Hi, ich bin Mustafa. Du kannst mich aber Musti nennen. Ich gebe gerade einen Kochworkshop. Mein Vater ist Koch und hat ein eigenes Restaurant. Der hat mir die Türkische Küche beigebracht. Und jetzt zeige ich sie den anderen in wöchentlichen Workshops. Sebastian, ist mein bester Schüler. Sebastian komm mal her!“
„Hi, ich bin Sebastian. Ich habe die türkische Küche lieben gelernt. Musti ist ein sehr guter Lehrer und Koch. Ich selber bin Deutscher. Am liebsten kombiniere ich die deutsche und türkische Küche. Da entstehen oft sehr, sehr leckere Gerichte. Aber manchmal klappt's auch nicht so ganz. Dann muss man sich mehr oder weniger durch den Teller quälen. Aber ich lerne aus jedem Fehler etwas Neues."
„Was ich so toll finde ist, sind gerade die ganz vielen verschiedenen Workshops.", sagt Musti. „Wenn einer etwas kann, dann bringt er es den anderen bei. Ich bringe ja gerade die türkische Küche bei. Die, die Bock haben, was zu lernen, können sich zu den Workshops anmelden und abmelden, wann immer sie möchten. Ich nehme im Moment zum Beispiel an einem Botanik- und Informatik-Workshop teil. Durch diese Workshop-Kultur entsteht eine Gemeinschaft von jungen Leuten, die weiß wie man von anderen lernt, sich selbst Wissen beibringt und offen für alles ist. Das ist das, was mir in der Stadt gefehlt hat. Das habe ich aber erst gemerkt, als ich das erste mal ins Haus der Jugend gegangen bin. Früher war einfach der Arsch für alles. Jetzt bin ich einfach Musti, der Koch. Mir hat gefehlt, dass ich zeigen kann, was ich kann.“
Daniel versteht das Gefühl. Aber das Gefühl wird mit jeder Minute im Haus weniger. Er will auch Workshops geben. Er will auch zeigen, was in ihm steckt. Daniel kann mit Holz arbeiten. Er will aber auch von den anderen etwas lernen.
Balkon und beete
„Da hinten sind unsere Beete. Komm mit, ich zeig sie dir!“, sagt Luca und zieht Daniel weiter. Sie gehen Richtung der zwanzig Meter Fensterfront. Es gibt ein Indoor und Outdoor Beet. Im Beet drinnen sind vor allem Kräuter. Es sprießen Balsamico, Petersilie, Rosmarin und ganz viele andere Kräuter, die Daniel gar nicht kennt.
„Wir wollen, dass wir so viel wie möglich selber anbauen. Erstmal ist das viel billiger und noch wichtiger, es schmeckt einfach besser. Draußen bauen wir Tomaten, Gurken, Kartoffeln und so an. Da gilt das gleiche Prinzip wie bei den Kräutern drinnen. Es ist einfach besser.“, sagt Luca. Die beiden gehen auf den Balkon, auf dem das Outdoor-Beet steht.
Der Balkon ist so groß, dass dort fünf Sonnenliegen, drei Sonnenschirme, das Beet, sechs Blumentöpfe und ein paar Meter Rollrasen draufpassen.
„Die beiden da auf den Liegen sind Eric und Charlotta. Die beiden haben die Gestaltung Balkon und Dachgarten vorangetrieben. Eric! Komm mal her! Das hier ist Daniel. Kannst du ihm unseren Sportraum zeigen? Ich muss den Workshop weitermachen.“ „Ja klar, kann ich das! Ich bin Eric, aber so wie ich Luca kenne, hat er dir schon erzählt, was ich mache. Komm, lass uns rein und runter. Der Sportraum ist im Keller. Auf dem Weg kann ich dir noch einen Raum zeigen. Oder um es genauer zu sagen, Räume.“
Business
Eric und Daniel gehen gemeinsam wieder rein, an Mustis Workshop vorbei, zum Treppenhaus hin und eine Etage tiefer. Hinter einer Kiefernholztür ist ein Gang, von dem jeweils links und rechts kleine Räume abgehen. Insgesamt sind es ein halbes Dutzend Räume. In einem Raum flackern bunte LEDs und ein großes „Kiosk“ Schild ziert den Eingang. Die anderen Räume sind entweder leer oder gerade vollgestellt mit Werkzeug.
„Hier können Leute die Bock haben, ihre eigenen Läden betreiben. Den Kiosk hier machen gerade drei Leute. Der läuft echt gut, weil die drei damit nicht den großen Reichtum suchen, sondern einfach Spaß an der Sache haben. In den anderen Räumen entstehen gerade andere Projekte. Zum Beispiel ein Second Hand Laden und eine Näherei.“
So etwas hat Daniel noch nie gesehen. Schüler, die selbst einen eigenen Laden betreiben? Das hätte er sich in seinen schönsten Träumen nicht vorstellen können. Aber trotzdem sah er, wie genau das vor seinen Augen entstand. Das, was niemals klappen könnte, stand zwei Meter von seinen Augen entfernt. Und diese Energie, die das Unmögliche möglich macht, strahlte ihm ins Gesicht. Einen Laden eröffnen, das können nur Erwachsene, hätte Daniel vor seinem Besuch im Haus gesagt. Aber jetzt nicht mehr. Er merkt genau in diesem Moment, dass er als Schüler alles schaffen kann. Sein Stilles Bewundern und Nachdenken wird durch Eric unterbrochen.
„Komm, lass uns in den Sportraum gehen.“
Das Gym
Gemeinsam gehen sie wieder auf die Ebene des Partyraumes. Sie biegen rechts in einen Raum ein, der mit Sportgeräten, Tischtennisplatten, Volleyball- und Badmintonnetzen, Basketballkörben und Boxsäcken vollgestellt ist. Am auffälligsten ist der große Boxring, der in der Mitte des Raumes steht.
„Hier kannst du alles trainieren. Von Boxen über Badminton bis zum einfachen Pumpen ist keine Grenze gesetzt. Wir haben in der Schülergewerkschaft ein paar Leute, die die anderen trainieren. Das funktioniert echt gut, weil das alles auf Augenhöhe passiert. Man muss aber auch nicht in irgendeinem Kurs mitmachen. Man kann sich auch einfach so hier hin.“ Es riecht ein wenig nach Socken und Schweiß.
„Das trifft sich sehr gut. Ich spiele gerne Basketball, aber im Winter ist es dafür einfach zu kalt. Wenn ich hier mit meinen Kumpeln spielen kann, wäre das der Hammer!“, sagt Daniel.
der abschied
Gemeinsam gehen sie wieder hoch zum Wohnzimmer. Dort angekommen treffen sie wieder auf Elena.
„Und? Hast du alles gezeigt bekommen? Ist cool hier, oder?“, sagt Elena.
„Auf jeden Fall! Ich bring morgen alle meine Freunde mit! Die müssen das einfach auch sehen und mitmachen!“, sagt Daniel.
Als Daniel an diesem Tag nach Hause geht, erkennt er Bottrop, so wie er es kennengelernt hat, kaum mehr wieder. Er erkennt die Stadt, die sein Vater in den Geschichten von früher beschreibt. Bottrop wirkt lebendiger. Wie ein Ort den er verändern kann. Wie ein Ort, der offen für Neues und die Zukunft ist. Bottrop strahlt etwas Warmes aus.
Es ist nicht mehr irgendeine Stadt, sondern seine Heimat.
---
So, jetzt kennst du Daniel und seinen Eindruck von Haus der Zukunft. Wir alle können Daniels sein. Wir müssen erkennen und akzeptieren, dass in unser aller Heimat nicht alles gut läuft. Und, dass nur wir uns aus dem ganzen Mist heraus arbeiten können. Wenn nicht jetzt, wann dann? Wer, wenn nicht wir?
P.S. den ersten Raum (von vielen) haben wir!!!